Island im Alleingang #4 – die Westfjorde
und …
von der Reiseplanung, Natur pur und ein paar grauen Haaren mehr
Sechs Tage hatte ich für den Besuch der Westfjorde im August 2015 eingeplant. Deutlich besser vorbereitet auf diesen Teil der Rundreise hatte ich mir im Vorfeld Tagestouren zusammengestellt, mit Plan A und B, je nach Wetterlage. Entsprechend buchte ich drei strategisch günstig liegende Quartiere auf der Halbinsel verteilt.
Hilfreich bei der Planung waren vor allem zwei Seiten
Wünsche weckten zudem das eine oder andere Foto der Gemeinschaft Inspired by Iceland in Facebook, ganz zu schweigen die Unmenge an Sehnsuchtsbildern auf Pinterest und sonstigen Plattformen. Um nicht die Übersicht zu verlieren reduzierte ich mich auf die beiden, oben genannten, englischsprachigen, Seiten. Auch merkte ich, dass mir die Vorstellung meinen Jahresurlaub, über die vorgebuchten Quartiere hinaus, durchzutakten immer weniger gefiel. Hinterher kommt vieles sowieso ganz anders. Zum einen macht es Sinn vor Ort eines der Informationsbüros zu besuchen, zum Beispiel zwecks aktuellen Veranstaltungen. Zum anderen gibt es einiges, außer dem Wetter, das eine Planänderung erfordert. Bei mir war es ein Reifenschaden und weitere Altmietauto-Wehwehchen, die meine Planung über den Haufen warf und mir mindestens einen Urlaubstag kosteten.
Zu den Westfjorden gelangen
Auf der Fjordrundfahrt 2013 hatte ich beschlossen 2015 von Stykkishólmur nach Brjánslækur, auf den Westfjorden, mit der Fähre überzusetzen und nicht den Landweg zu nehmen. Es reichte völlig aus am Vortag die Tickets für mich und das Auto zu buchen – das Auto fährt bei Sæferðir – Seatours zum gleichen Preis, wie ein Erwachsener! Ungefähr 60 Euro kostete die einfache Strecke für SuzieQ und mich. (Für diejenigen, die nicht zeitnah auf fadenspiel und fingerwerk die Reise mitverfolgt hatten, SuzieQ nannte ich meinen Mietwagen. Wenn man eine Zeit eng miteinander verbringt benötigt man Namen, finde ich ;-). ) Tolle Fahrt, tolles Wetter, toller Morgen.
Ankunft und auf dem Weg zu neuen grauen Haaren
Man sollte sich auf Island nicht allzu sehr auf momentanes Superwetter und Sonnenschein verlassen. Das Vertrauen eines Mitteleuropäers darauf, dass eine super ausgebaute Straße, vergleichbar mit einer Bundesstraße, selbst im Reparaturstatus noch vertrauenserweckend sein wird, ist hier ebenso fehl am Platz. Viele Straßen gibt es nicht auf den Westfjorden und in den Wintermonaten sind etliche unpassierbar und im Frühjahr beschädigt. Es bleiben nur die wenigen Sommermonate für Bau- und Reparaturarbeiten. Das betrifft selbst wichtige Hauptstrecken, die auf Teilstücken durch die schwierige Geländesituation bis heute unbefestigte Schotterstrecken sind – die braun markierten in den Straßenkarten, braun für aufgeschüttete Erde, braun für Surf- oder Snowboardfeeling mit einem Fahrzeug, braun für den Kies- und Staubregen vom Vordermann, …. braun gelb für Straßenbaufahrzeug, braun für die Staubwolke die ein Fahrzeug im Gegenverkehr ankündigt:
- Option 1 = Umdrehen oder einen Platz zum Anhalten und Aussitzen suchen.
- Option 2 = Durchatmen, Augen auf, Lenkrad gut in der Hand, nicht an den Abhang denken (irgendwann habe ich bestimmt schon meine Höhenangst und mein Hasenherz erwähnt, oder?), beten, vorsichtig bremsen oder Gas geben und durch.
Zur Mittagszeit in Brjánslækur angekommen hatten mich der Sonnenschein und die gut ausgebaute Straße verleitet, entgegen meines Plans, doch noch nach Reykhólar im Osten zu fahren. Für die ca. 130 km benötigte ich mit kurvigen bergauf, bergab, und Baustellen drei Stunden und wusste, dass die Fähre eine gute Wahl gewesen war! Allerdings musste ich von Reykhólar die Strecke zurück und weiter in Richtung Patreksfjörður zu meinem ersten Quartier fahren. Es blieb keine Zeit gemütlich in einem der kostenlosen Hot Tubs entlang der Strecke ein entspannendes Bad zu nehmen. Die Aussicht auf das zu erwartende Fahrerlebnis hatte auf der Gruselskala von 🙁 bis 🙂 die Tendenz zum Grauen. Einzig positiv war die Aussicht auf der Rückfahrt der Felswand näher als dem Abhang zu sein! 😀 Aber, bei aller beängstigenden Schlingerei auf frisch aufgeschütteteten Straßen, mit teilweise beängstigendem Gefälle, ohne Leitplanken, der Hoffnung nach 10 Minuten ohne Gegenverkehr auch an einer ganz fiesen Stelle keinem entgegenkommenden Fahrzeug zu begegnen, wenn das Hasenherz mal weniger klopft, es sich die Gelegenheit ergibt die Augen etwas aus der Spur heraus nach oben zu bewegen, dann öffnet sich trotz aller Kargheit eine überwältigende Kulisse! Kein Baum, kein Strauch, Moos, riesige Flächen mit wogendem Wollgras, vereinzelt Löwenzahn, und dazwischen noch ein anderes Gelb – arktischer Mohn, klitzeklein und wunderschön!
Vogelparadies im äußersten Südwesten
Ein Tag bietet viel zu wenig Zeit für Rauðasandur und Látrabjarg, südlich von Patreksfjörður. Mein Gastgeber gab mir den Tipp zuerst nach Rauðasandur zu fahren um die frühen Morgenstunden zum Fotografieren nutzen zu können, bevor ich in Melanes für eine Tasse Kaffee Pause mache. Der Weg dorthin war eine echte „Übungsstrecke“ für mich im Umgang mit dem Allradfahrzeug. Auch konnte ich etwas meine Ängste vor schmalen, abschüssigen Straßen abbauen, inklusive Baustellen.
Das Auto stellte ich am Straßenende vor einem Bauernhof ab, Lambavatn, und ging über Feuchtgraswiesen und Marschland bis zu dem vorgelagerten roten Sandstrand. Dieser Weg zog sich und ich kam mehrfach in Kontakt mit aufgeregten Vogeleltern (Hitchcock ließ grüßen!).
Den Nachmittag verbrachte ich am Vogelfelsen Latrabjarg. In meinem Tagebuch finde ich den Eintrag: Was für ein Menschen- und Kameraauflauf! Ist schon witzig, wie andere und man selbst reagieren, wenn jemand stehen bleibt und etwas mit der Kamera anvisiert. Sofort wird stehen geblieben und sich umgeschaut, was es zu bestaunen gibt!. Wir freuten uns alle über Möwen, Seehunde und viele Papageientaucher. 😀 Alle Freude war vorbei als mein Blick auf ein profillos gefahrenes Hinterrad bei SuzieQ fiel und danach auf einen erschreckend auf leer stehenden Zeiger der Tankanzeige. Sch…limm.
Völlig unentspannt vom Süden nach Norden
Der Abend begann mit dem Versuch die Autovermietung telefonisch zu erreichen. Die Hotline vertröstete mich auf den nächsten Morgen. Ich tröstete mich im benachbarten Hot Tub mit kleinem Schwimmbecken daneben. WAHNSINN! Sonnenschein, warmes Wasser und eine Aussicht hinüber nach Snæfellsnes – ein Traum! Trotzdem machte ich mir Sorgen, wie es mit dem Auto weiter gehen wird, ging früh schlafen und verpasste an diesem Abend Nordlichter! Arrgh, so sch…ade aber auch!
Am nächsten Morgen schickte mich die Autovermietung zum ortsansässigen Reifendienst, beinahe um die Ecke von meinem Quartier. Mein Gastgeber hatte mir vor meiner Abreise noch die Strecke erklärt und gemeint, dass ich langsam machen sollte. 😉 Tja, ich lernte Isländer kennen. Isländer in ihrer Lebens- und Arbeitswelt. Es ist nach 9:00 Uhr als ich die Farm erreiche, wo auch der Reifenservice zu finden sein soll. Zumindest gab es ein entsprechendes Schild an der Straße. Draußen schüttete es mit feinen eisigen Graupeln und es stürmte. Drei Wohngebäude konnte ich im Dunst ausmachen, ein paar Scheunen, eine Reihe an großen Stallgebäuden aus dem Muhen zu hören war, aufgestapelte Reifen, eine Art Hebebühne, landwirtschaftliche Maschinen, kein Mensch zu sehen. Ich klopfte und rief an den Häusern, ein Hund bellte. Sonst nichts. Inzwischen war ich klatschnass. Während ich mir trockene Kleidung im Auto zusammensuchte, mich wind- und regendicht verpackte, erschienen tatsächlich zwei lebende Zweibeiner aus einem der Häuser, schnell unterwegs zu einem der abgestellten Autos. Jetzt aber, ging mir durch den Kopf, und bloß nicht entkommen lassen! Ich bin nicht die Sportlerin, aber dieses Mal war ich richtig schnell und erwischte die beiden kurz bevor sie losfahren konnten. Bis sich dann tatsächlich der Jemand mit Rad- und Reifenahnung meines Rades annehmen konnte dauerte es noch einmal mehr als eine halbe Stunde. In der Zwischenzeit erwachte auch der Bauernhof ganz langsam. Ab und an blieb einer der Arbeiter bei mir stehen, schaute sich mein Problem an, brummelte was, kratzte sich, ging weiter. Trotz aller, beinahe südländisch anmutender, Gemächlichkeit war eine Stunde später das Rad durch das Reserverad ersetzt und es hieß: Alles ok. Meine Reise konnte weitergehen, doch leider flatterte nun das Lenkrad nicht nur ab 70 km/h sondern ständig. Das empfand ich auf den Schotterstrecken mehr als ungemütlich. Am einspurigen Tunnel kurz vor Ísafjörður war es nicht so einfach die Spur wackelfrei geradeaus zu halten. Mir war klar, ich benötigte eine Autowerkstatt, erweiterte meine Erfahrungen am nächsten Tag mit der tiefenentspannten Arbeitseinstellung der Isländer um einen Tag bei Schietwetter festzusitzen. Einen kompletten Tag Regen ohne Unterbrechung hatte ich noch nicht in Island erlebt. Zumindest konnte ich abends SuzieQ wieder in Empfang nehmen und gönnte mir zum Trost ein richtig gutes Abendessen.
Schöne Plätze zum Anhalten und zum Wiederkehren
Ich musste trotz dem verlorenen Tag nicht alle Stopps in diesem Teil der Reise streichen, wie ich sie geplant hatte. Irgendwie schaffte ich es einen Teil meines Programms durchzuführen und noch ein paar unerwartete Plätzchen zu finden. Abgesehen von der großartigen Natur ist alles auf den Westfjorden kleiner als sonst in Island, die Ausstellungen und Museen, die Ortschaften, die Geschäfte. An manchen Sehenswürdigkeiten fuhr ich zuerst vorbei, weil ich sie einfach übersehen habe. So passiert beim botanischen Gärtchen in Bolungarvík, aber nicht nur dort.
Eine Pause lohnt sich nach dem Wasserfall Dynjandi auf jeden Fall in Þingeyri im Café Simbahöllín bei superleckeren Waffeln oder selbstgebackenen Kuchen! Wer daran vorbei fährt verpasst was! Nach Þingeyri machte ich Halt an einer der ältesten nördlichen Gartenanlagen Islands, Skrúður. Der Garten liegt etwas versteckt hinter einer Hotelanlage, Núpur. Leider war durch den Regen das Freilichtmuseum Osvör kurz hinter Bolungarvík geschlossen. Ein Grund mehr noch einmal dorthin zu reisen.
Entspannt unterwegs zu den Warmwasserbädern im Osten
Egal wie das Wetter werden würde, mich lockte auf der Weiterreise in Richtung Drangsnes die Aussicht auf jede Menge warmes Wasser. Ich kam langsamer voran als geplant, da es nach dem vielen Regen nun neblig geworden war. Unterwegs hielt ich in Suðavík am ‚Arctic Fox Centre‘, bei Hvitanes für Seehunde im Fjord und danach gleich wieder an einem winzig kleinem Bauernhaus, Litlibær, wo eine nette, alte Dame in den entsprechend winzig kleinen Räumen Tee und Waffeln serviert. Auf der Weiterfahrt verzogen sich der Nebel und die Regenwolken in der Ferne, dass der Blick zum verschneiten Drangajökull frei wurde. Manna für die Seele, was nur noch durch das Abtauchen abends im Hot Tub, mit freiem Blick aufs Meer, getoppt werden konnte, oder die Aussicht auf Tag 6 auf den Westfjorden.
Ein langer Weg zum nördlichsten warmen Schwimmbecken
Ungefähr 80 km nördlich von Drangsnes liegt Krossneslaug und genau hierher sollte der letzte Ausflug in dieser Gegend gehen, angestiftet durch einen Grapevine-Artikel mit dem Titel: Swimming on the edge of nowhere.
Trotz blood, sweat & fears durch die Strecke war es einer der schönsten Tage der gesamten Rundreise. Natur, Kultur, Wetter, alles passte!
Der während der Reise entstandene Bericht wurde auf meinem Blog fadenspiel und fingerwerk im August 2015 veröffentlicht: Westfjorde.
Bis die Tage,
Karin