Tübingen
oder …
Ein Montagsspazierung an Ostern
Es war der Wunsch meiner Nichte, unbedingt Tübingen sehen zu wollen. Ihre Mutter hat vor vielen Jahren hier ihre Famulatur absolviert, mein Bruder eine Reihe an Konzerten mit der Gitarre gespielt und überhaupt, Tübingen eben, eine alte Universitätsstadt mit Flair.
An Ostermontag sind die Straßen und Plätze leer bis auf ein paar Spaziergänger, wie wir. Beinahe gähnende Leere herrscht vor dem alten Rathaus, wo sonst Montag, Mittwoch und Freitag reges Marktleben herrscht.
Unterwegs fallen mir in den leeren Gassen Kleinigkeiten auf, die mir entgangen sind, wie zum Beispiel dieser arme Wicht, der einen ganzen Erker stützen muss.
Nächste Station auf unserem Rundgang durch die Altstadt ist der Holzmarkt mit seiner Steintreppe unterhalb der Stiftskirche, die nicht nur in den Sommermonaten ein beliebter Treffpunkt und Sitzplatz ist. Zum Hinsetzen ist es an diesem Ostermontag zu kalt und ungemütlich. Da an diesem Tag der Turm der Stiftskirche St. Georg zum Besteigen geöffnet ist, nutzen wir diese Möglichkeit. Die Treppenstufen wechseln von behauenem Stein zu Holzstufen, um dann über eine Wendeltreppe aus Eisenmaterial hoch zur Aussichtsplattform zu führen. Auf dem Weg hoch passieren wir das Uhrwerk der Kirchturmsuhr und die sieben alten Glocken. Die neuen zwei, die seit 2014 für das Glockenspiel dazu gekommen sind, entdecken wir nicht. Alle 15 Minuten läuten die Glocken für die Stundenanzeige und sie sind wirklich laut. Die zwei Glockenschläge für die halbe Stunde, die wir erlebten, fanden wir allerdings viel zu wenig, um zu erkennen, welche der Glocken dazu angeschlagen wurden. Das nächste Mal gehen wir hierher zu einer vollen Stunde. Oben auf dem Turm ist es noch kälter und windiger, dazu beginnt es zu regnen.
Nach dem Abstieg vom Turm und einem kurzen Rundgang durch die Stiftskirche geht es auf unserem Rundgang weiter zum Schloss Hohentübingen. Doch zuerst lenke ich den Blick meiner Begleiterin auf das Haus gegenüber des Kircheneingangs. Man muss schon genau hinschauen – ich könnte es Goethe heute gleich tun. Bei ihm war wohl der Wein schlecht, heute ist es das Wetter.
Im Nieselregen hoch zum Schloss und eine kurze Runde außen herum und im Innenhof schaffen wir noch, um dann Schutz vor noch mehr Regen im ehemaligen Schlosslabor zu suchen.
Leicht getrocknet gehen wir in Richtung Neckar den Berg hinunter, staunen über die Glyzinienpracht und die kleinen Gärten entlang des Flusses. Zum Stocherkahnfahren ist es uns zu feucht.
Auch die Tauben ziehen den Aufenthalt im Taubenhaus vor.
Letzte Station, bevor wir ganz durchweicht in Richtung Auto flüchten, ist die Platanenallee auf einer im Neckar angelegten Insel. Von hier aus kann sich die Tübinger Altstadt, einschließlich Hölderlin-Turm, in ihrer ganzen Schönheit zeigen.
Ein paar Hartgesottene gönnen sich trotz Regen eine Ausfahrt im Stocherkahn. Uns ist es nur noch nach trockener Kleidung und etwas warmen zum Trinken zumute.
Resümee meiner Nichte, als wir im warmen Auto saßen: „Schön war’s, trotz Feiertag und geschlossenen Geschäften, trotz Kälte und Regen. Ich komme wieder!“